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Ist die 4%-Regel überholt?

Aktualisiert: 29. Jan.

Viele in der Finanzcommunity orientieren sich an der 4% Regel, um den Zielbetrag für ihre finanzielle Unabhängigkeit zu ermitteln. Durch die sich aktuell eher seitwärts bewegende Marktlage und die hohe Inflation erreicht uns immer häufiger die Frage, ob die 4% Regel noch eine realistische Grundlage ist, um die eigene finanzielle Unabhängigkeit zu planen und zu berechnen. Genau das wollen wir in diesem Blogartikel betrachten und teilen mit euch, wie wir unsere finanzielle Planung rechnen.


Was ist die 4% Regel?

Die 4% Regel ist eine Faustregel in der Finanzplanung die besagt, dass man 4% seines Anlageportfolios pro Jahr abheben kann, ohne den Gesamtwert des Portfolios zu schmälern. Gleichzeitig wird das Risiko minimiert, dass das Portfolio vorzeitig aufgebraucht wird. Diese Regel wurde erstmals im Rahmen der Trinity Studie von William Bengen im Jahr 1994 entwickelt, der auf der Grundlage historischer Marktdaten untersuchte, wie viel Geld Rentner im Ruhestand jedes Jahr aus ihrem Depot entnehmen können, ohne dass ihr Portfolio vorzeitig erschöpft wird. Er stellte fest, dass eine Entnahme von 4% des Portfolio-Werts im ersten Jahr und eine jährliche Anpassung an die Inflation in den meisten Fällen ausreichen sollte, um das Portfolio über einen Zeitraum von 30 Jahren zu erhalten.


Die 4% Regel ist eine wissenschaftliche Theorie und bietet daher keine Garantie! Darüber hinaus gibt es verschiedene Faktoren, die sich auf die Anwendung der Regel in der Praxis auswirken können, wie z.B. die Höhe der Inflationsrate, die Anlagerenditen und die individuelle Lebenserwartung.


Daher ist es wichtig, dass du als Investor:in bei der Umsetzung dieser Regel deine individuelle Situation berücksichtigst und eine gründliche Finanzplanung durchführst!

Die 4% Regel ist in der Finanzcommunity so beliebt, da mit ihr auf eine sehr einfache Art ein Zielbetrag für das eigene Portfolio berechnet werden kann. Der Zielbetrag ist der Betrag, den du in deinem Portfolio benötigst, um jährlich 4% entnehmen zu können. Hierfür multiplizierst du den Wert, den du monatlich entnehmen möchtest mit 12 (da 12 Monate) und mit dem Faktor 25 (100 / 4 = 25).


Berechnung in der Praxis

Rechnen wir das mal mit einem Beispiel durch... Du möchtest zukünftig 2.000€ monatlich aus deinem Portfolio entsparen, um davon zu leben:

  • 2.000€ (monatliche Entnahme) x 12 = 24.000€ (jährliche Entnahme)

  • 24.000 € x 25 = 600.000 €

Laut der 4% Regel benötigst du also 600.000 € im Depot, um dir monatlich 2.000€ aus deinem Depot entnehmen zu können.


Risiken der 4% Regel

Obwohl die 4% Regel als eine nützliche Faustregel betrachtet wird, hat sie auch einige Risiken, die berücksichtigt werden sollten:

  1. Inflationsrisiko: Die 4% Regel bezieht sich auf eine jährliche Anpassung der Entnahme an die Inflation. Wenn die Inflation höher als erwartet ist, könnte die Kaufkraft des Portfolios schneller abnehmen als erwartet. Zum Beispiel aktuell, im April 2023, haben wir eine überdurchschnittlich hohe Inflation von knapp 8%. Das heißt, du benötigst im Alltag mehr Geld als früher, um deine täglichen Ausgaben zu finanzieren. Das bedeutet, dass der Wert deiner 2.000€ in Zukunft sinkt und du dir von diesem Geld zukünftig weniger leisten kannst als heute.

  2. Anlagerisiko: Wenn die Anlagerenditen niedriger als erwartet sind, könnte das Portfolio schneller schrumpfen als erwartet, was zu einer höheren Entnahme führen könnte, um den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Dies würde das Portfolio noch schneller erschöpfen. Dieses Risiko ist uns & euch aber als gut informierte Investoren bewusst und durch eine Portfolio-Struktur, die sich nicht nur auf Investments am Aktienmarkt fokussiert, kannst du dieses Risiko schmälern.

  3. Lebenserwartung: Die 4% Regel basiert auf einer Entnahme über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die meisten von uns streben aber ja eine finanzielle Unabhängigkeit zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr an... Das bedeutet, wir sollten eine Entnahme über einen Zeitraum von ca. 45 Jahren berücksichtigen. Die Lebenserwartung in Deutschland liegt übrigens im Schnitt bei 80 Jahren (Quelle: destatis.de).

  4. Veränderung der Lebensumstände: Wenn sich deine Lebensumstände ändern, kann die 4% Regel möglicherweise nicht mehr angemessen sein. Wenn beispielsweise im Alter unerwartete medizinische Ausgaben anfallen oder eine größere Investition notwendig wird, könnte dies dazu führen, dass das Portfolio schneller erschöpft wird.

  5. Marktrisiko: Die 4% Regel basiert auf historischen Marktdaten. Zukünftige Marktbedingungen können sich jedoch erheblich von der Vergangenheit unterscheiden, was zu unerwarteten Entwicklungen führen kann. Auch dieses Risiko kennen wir als Investor:innen nur zu gut: Man kann den Markt nicht timen und Entwicklungen vorhersehen.


Genau auf Basis dieser Risikofaktoren, machen einige Kolleg:innen in der Finanz-Community völlig zu Recht darauf aufmerksam, die 4% Regel an die eigenen individuellen Bedürfnisse anzupassen:


"Da ich selbst keine Dividenden-Strategie verfolge, gehe ich bei meiner Vermögensplanung von der 4%-Regel als mein späteres Entnahmemodell aus. Ich rechne jedoch vorsichtshalber mit 3,5%, um die Unsicherheiten des mathematischen Modells und die Sache mit der Besteuerung zu berücksichtigen."

Rene Isau (aka @_kohlekumpel) in "Einfach Vermögen aufbauen"

"Einfach Vermögen aufbauen" von Rene Isau

Steuern bei der Entnahme sind ein Thema für sich... Wie die Besteuerung deines Portfolios in der Praxis bei der Entnahme funktioniert findest du im folgenden Blogbeitrag ausführlich beschrieben: 🔗 Vom eigenen Depot leben





So rechnen wir mit der 4% Regel

Wir hoffen sehr, dass die nächsten 10 Jahre so unglaublich abwechslungsreich, vielseitig und überraschend werden, dass wir vieles von dem was wir erreichen & erleben werden, heute noch gar nicht planen können! Daher setzen wir uns Ziele, die sich gerne mit uns entwickeln dürfen. Zusätzlich unterscheiden wir zwischen finanzieller Unabhängigkeit ggf. erstmal in Teilzeit und voller finanzieller Freiheit. Die Begriffe werden zwar immer oft in einen Topf geworfen, unterscheiden sich aber für uns maßgeblich darin, wie losgelöst man wirklich von einem zusätzlichen Einkommen ist. Wir persönlich sind bei unserer finanziellen Unabhängigkeit sehr realistisch und planen eher konservativ und in Etappen. So können wir uns zum Beispiel gut vorstellen, ab Zeitpunkt x bereits Teilzeit finanziell unabhängig zu sein. Aus diesem Grund rechnen wir in zwei Schritten: Bei unserer finanziellen Unabhängigkeit in Teilzeit rechnen wir klassisch mit 4% also mit dem Faktor 25, da wir in diesem Szenario davon ausgehen, dass wir zusätzlich noch Arbeiten und somit bestimmte o.g. Risiken über Gehalt und zusätzliche Einnahmen abfangen können. Daher passt die Rechnung von oben auch hier:

  • 2.000€ (monatliche Entnahme) x 12 = 24.000€ (jährliche Entnahme)

  • 24.000 € x 25 = 600.000 €

Wenn wir unsere finanzielle Unabhängigkeit in Vollzeit betrachten, ohne zusätzliche monatliche Einnahmen, rechnen wir mit 3,5%. Mit diesen 3,5% berücksichtigen wir die oben beschriebenen Risiken. Die Höhe dieser prozentualen Schwelle kannst du selbst bestimmen, so wie du dich damit wohl fühlst: Ein Wert zwischen 3-4% bietet sich an. Wenn wir unsere finanzielle Unabhängigkeit in Vollzeit betrachten, müssen wir natürlich auch betrachten, dass wir sicher sind, dass wir alle unsere zukünftigen monatlichen Ausgaben tragen können. Daher erhöhen wir hier den Wert für die monatlichen Ausgaben.


Die Rechnung mit 3,5% ergibt sich dann wie folgt:

  • 100/3,5 = 28,5

  • 3.000€ (monatliche Entnahme) x 12 = 36.000€ (jährliche Entnahme)

  • 36.000 € x 28,5 = 1.026.000€


Unser Plan für die Praxis ist daher:

Wir arbeiten beide Vollzeit / in höherer Stundenanzahl bis wir gemeinsam einen Depotwert von 600.000€ erreicht haben. Dann können wir die Stunden reduzieren und die aktiven Einzahlungen ins Depot aussetzen. Das heißt wir arbeiten nur noch, um unseren Lebensunterhalt zu finanzieren, aber nicht mehr um unsere Sparquote zu optimieren bzw. das Depot weiter zu füttern! Das Geld in unseren Depots rühren wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht an, sondern lassen es einfach liegen: Nach nur knapp 9 Jahren weiteren Jahren haben wir bei einer angenommenen Rendite von 6% p.a. durch den Zinseszins die 1.026.000€ in unserem Depot erreicht, um auch Vollzeit finanziell unabhängig zu sein.


Natürlich können wir diese Zeit verkürzen, in dem wir weiterhin monatlich in die Depots einzahlen. Wenn wir es zum Beispiel schaffen, in der Zeit in der wir Teilzeit tätig sind 450€ monatlich in die Depots einzuzahlen, verkürzen wir diese Zeit um ein weiteres Jahr!

Und wie ist dein Plan? Wir hoffen, unsere Herangehensweise zeigt dir, wie vielseitig und individuell du diese Faustregeln für dich und deine persönliche Finanzplanung nutzen kannst! Wie immer gilt - #DYOR: Do your own Research! Wir leisten keine Anlageberatung oder sprechen eine Kaufempfehlung aus. Wir teilen hier nur unseren Weg und unsere individuelle Planung.

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